„Du sollst dich erinnern“, heißt mein 11. Gebot, schreibt Freya Klier. „Und ich habe immer wieder guten Grund, ihm zu folgen.“ In diesem Buch sucht sie Erinnerungen an das Jahr 1990 und geht mit Hilfe zahlreicher Zeitzeugen dem Thema nach „Wir sind ein Volk! Oder?“
Nach dem Mauerfall dominierte zunächst Jubel: endlich Freiheit, Wohlstand und Demokratie für alle Deutschen. Aber wenig später sah es anders aus. Es folgten Arbeitslosigkeit, Abwanderung in den Westen und fehlende Perspektiven.
Die Autorin fragt: Welche Rolle spielte die Treuhand beim Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft? Woher kamen plötzlich die vielen Rechtsradikalen im Osten? Und wie entwickelte sich die Vereinigung von Ost und West?
Freya Klier versammelt unterschiedliche Stimmen von Zeitzeugen aus Ost und West, mit Beiträgen von Reiner Kunze, Wolfgang Thierse und Norbert Lammert, aber auch von Stephan Krawczyk, Bärbel Bohley u.a. – eine Vielfalt von spannenden Berichten verschiedenster Art. Erschütternd ist beispielsweise der Text von Jörg Bernhard Bilke, der 1962 als Student der Universität Mainz nach einem Besuch der Buchmesse in Leipzig verhaftet wurde und als „Westagent“ zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. 1964 wurde er überraschend aus dem Zuchthaus Waldheim vorzeitig entlassen und von der Bundesrepublik „freigekauft“. Viel später erfuhr er, dass sich Anna Seghers für ihn eingesetzt hatte, über die er später in Mainz seine Dissertation verfasste. Welch merkwürdige Fügung.
Ein Erinnerungsbuch. Informativ. Aufregend. Berührend. Es erklärt vieles, wirft aber auch manch neue Frage auf. Lesenswert.
Hannelore Hoffmann
Autor: | Freya Klier |
Titel: | Wir sind ein Volk! - Oder? Die Deutschen und die deutsche Einheit. |
Herausgeber: | Verlag Herder; 1. Edition (17. August 2020) |
Preis: | 20 € |
ISBN: | 978-3-451388-37-8 |
Umfang: | 224 Seiten |